Luxemburg setzt seinen Standpunkt durch (Tageblatt du 05/12/2007)

Union Européenne - Budget / Fiscalité
Mehrwertsteuer auf elektronischen Dienstleistungen wird laut Ecofin-Beschluss bis 2015 nicht harmonisiert

Von unserer Korrespondentin Marisandra Ozolins, Brüssel

Nach stundenlangen Diskussionen einigten sich die EU-Wirtschafts- und Finanzminister gestern in Brüssel auf eine Reform der Mehrwertsteuer für elektronische Dienstleistungen, die den Luxemburger Besorgnissen entgegenkommt.
Luxemburg blockierte bislang eine Einigung - in Steuerfragen ist bekanntlich Einstimmigkeit im Rat notwendig -, weil es sich gegen die Änderung des Prinzips des Ursprungslandes in das Prinzip des Bestimmungslandes stemmte.
Im Klartext sollte nach dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission die Mehrwertsteuer auf elektronische Dienstleistungen wie Rundfunk-, Fernseh-, Internet- und andere Telekommunikationsdienste, ab 2010 nicht mehr in dem Land erhoben werden, in dem die Anbieter ihren Sitz haben, sondern in demjenigen, in dem sie in Anspruch genommen werden.
Für Luxemburg hätte das, wie Premier- und Finanzminister Jean-Claude Juncker am Rande der Ratstagung erläuterte, Steuerausfälle in Höhe von etwa 220 Millionen Euro, also gut einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes des Landes, bedeutet, "mit einer steigenden Tendenz" in den folgenden jahren. Damit wäre auch der Luxemburger Haushalt gemäß den Maastricht-Kriterien ,erneut in die roten Zahlen geglitten".

Stufenweise Absenkung bis 2019

Der schließlich erzielte Kompromiss sieht vor, dass die Reform erst ab 2015 in Kraft treten soll - bis dahin werden Juncker zufolge die Mehrwertsteuereinnahmen also noch "hundertprozentig für Luxemburg" sein. Von 2015 bis 2019 soll ein System der Einnahmen-Aufteilung zwischen dem Ursprungs- und dem Bestimmungsland eingeführt werden, mit einer stufenweisen Absenkung der Steuereinnahmen im Ursprungsland.
Demnach wird Luxemburg 30 Prozent der Einnahmen in den jahren 2015 und 2016 und 15 Prozent in den jahren 2017 und 2018 behalten können. Ab dem 1. januar 2019 soll die Mehrwertsteuer dann gänzlich im Bestimmungsland erhoben werden. Außerdem soll die EU-Kommission noch vor dem Inkrafttreten der Reform im jahr 2015 eine Machbarkeitsstudie zum geänderten Prinzip der Steuererhebung im Bestimmungsland der Dienstleistungen erstellen.
Luxemburg sei stets für das Prinzip des Ursprungslandes eingetreten, daran erinnerten gestern sowohl Jean-Claude juncker als Wirtschaftsminister jeannot Krecké. Dieses Prinzip, das Juncker zufolge "eine Grundregel des Binnenmarktes" sei, werde jedoch weder von den übrigen Mitgliedstaaten, noch von der Kommission mitgetragen, die bereits "2002 umgesattelt" habe.
Auch habe Luxemburg einer "brutalen Änderung dieses Prinzips" nicht zustimmen können, sei jedoch gegenüber der "einstimmigen Mehrheit" seiner Partner zu Konzessionen bereit gewesen, unter der absoluten Bedingung einer Übergangsphase. Die Diskussionen darüber waren aber lang und schwierig. Die portugiesische Ratspräsidentschaft führte sogar mit mehreren Ländern (Luxemburg, Großbritannien, Deutschland) bilaterale Gespräche.
In einem ersten Kompromissvorschlag hatte Portugal bereits vorgeschlagen, die Mehrwertsteuerreform erst ab 2015 in Kraft treten zu lassen und 20 Prozent der Steuereinnahmen (Luxemburg forderte 25 Prozent) dem Ursprungsland zu bewilligen. Zu diesem Zeitpunkt habe nur Malta den Luxemburger Standpunkt unterstützt, bemerkte Juncker, der unter den anderen Mitgliedstaaten vor allem die ,ziemlich grimmige" Opposition Großbritanniens hervorhob.

"Keine Ausnahme"

Für zahlreiche Partner Luxemburgs war offensichtlich die Tatsache ein Dorn im Auge, dass das Großherzogtum von der Ursprungsland-Besteuerung in großem Maße profitiert, weil es auf die elektronischen Dienstleistungen den in der EU zulässigen Mindest-Mehrwertsteuersatz von nur 15 Prozent erhebt, gegen 19 Prozent in Deutschland, 19,6 Prozent in Frankreich, 21 Prozent in Belgien oder 25 Prozent in Dänemark.
Außerdem hätten viele Mitgliedstaaten gedacht, dass es eine "Ausnahmeregelung für Luxemburg" geben sollte, ergänzte Krecké. Das sei aber auf "keinen Fall der Fall gewesen". Der Kompromiss gelte für alle 27 Mitgliedstaaten, betonten beide Minister. Und für Luxemburg lasse er jetzt acht jahre Zeit, uni sich nach und nach auf die neuen Bestimmungen umzustellen, die ab 2019 "verewigt" werden.
Luxemburg habe Europa in einem so wichtigen Bereich wie der Steuerpolitik "nicht blockieren", sondern vielmehr eine "nützliche Arbeit für Europa" verrichten wollen, bei der gleichzeitigen Verteidigung seiner eigenen Interessen", rechtfertigte Juncker die Position seines Landes. Denn jetzt werden die Dienstleister "nicht in Drittländer fortziehen" und die Einnahmen werden "aufgeteilt und im europäischen Schoß bleiben". Nicht zuletzt bescheinigte der Premier- und Finanzminister dem portugiesischen Ratsvorsitz eine "exemplarische Haltung uns gegenüber", die er als "schönes Beispiel der portugiesisch-luxemburgischen Freundschaft" würdigte.

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