Enregistrement-Direktor wirft das Handtuch (Tageblatt 28/10/2005)

Paul Bleser: „Ech hunn d'Flemm“

Enregistrement-Direktor Paul Bleser mag nicht mehr. Zum 1. März 2006 wird er seine Rentenansprüche geltend machen.


Die rund 300 Beschäftigten des Enregistrement werden 2006 einen neuen Direktor bekommen
Foto: Isabella Finzi

Luxemburg - Mit einem Paukenschlag hat Paul Bleser gestern auf der „Journée de la TVA“ der Enregistrement-Verwaltung seinen Abgang als Direktor zum 1. März 2006 offiziell bekannt gegeben.

Mit 65 sei Schluss, er habe keine Lust, auch nur einen Tag länger zu arbeiten, erklärte er.

15 Jahre Dauerstreit mit seinem Dienstchef, Premier- und Finanzminister Jean-Claude Juncker, hätten gereicht, meinte er.

Es war das Bekenntnis eines desillusionierten Verwaltungschefs, der nach eigenen Angaben immer wieder mit seinen Forderungen nach mehr Personal und modernen Arbeitsinstrumenten auf taube Ohren stieß.

Und am Ende auch mit seiner persönlichen Situation unzufrieden ist.

„Journée de la TVA“ des Enregistrement gestern in Rümelingen

Verwaltung beklagt ihre Ohnmacht

Die Enregistrement- Verwaltung fühlt sich zu Unrecht als Buhmann. Dass im Staatshaushalt ein Loch entstanden ist, sei nicht die Schuld der Verwaltung. Die sei weder materiell noch personell gerüstet für den neuen innergemeinschaftlichen Markt mit all seinen Unwägbarkeiten. Das betonte vor der Presse gestern Direktor Paul Bleser.


Und tschüss! Enregistrement-Direktor Paul Bleser wirft desillusioniert das Handtuch
Foto: Isabella Finzi

Die Enregistrement-Verwaltung fühlt sich von der Politik im Stich gelassen. Man tue als Verwaltung sein Bestes, sei ohne geeignetes Informatikmaterial und ausreichend Personal aber nicht in der Lage, seiner Aufgabe nachzukommen, die indirekten Steuern in einem vertretbaren Zeitrahmen mit den Betrieben abzurechnen. Diese Kritiken kamen auf der „Journée de la TVA“ in Rümelingen gestern von Direktor Paul Bleser und Inspektor Francis Sandt. Vor allem seit dem Wegfall der EU-Binnengrenzen sei die administrative Arbeit zur Erhebung und Verrechnung der TVA „explodiert“. Das Personaleffektiv (derzeit rund 300 Personen) dagegen sei nur leicht angestiegen. Hinzu komme, dass man es heute mit einer ganz anderen Klientel zu tun habe. „Der Steuerbetrug hat heute ein europäisches Niveau, das sich der Laie kaum vorstellen kann. Sowohl was die Komplexität wie auch das Volumen des Steuerbetrugs anbelangt, laufen wir dauernd hinterher.“

Um beim Aufspüren und Einkassieren der Steuerrückstände schneller voranzukommen, will die Enregistrement-Verwaltung kurzfristig eine interne Umstrukturierung vornehmen. Im Interesse des luxemburgischen Staatshaushaltes will man sich vor allem auf den nationalen Bereich konzentrieren.

„Diese Leute werden dann aber bei der Bekämpfung des Steuerbetrugs auf europäischer Ebene fehlen“, macht Sandt deutlich.

Diese interne Reorganisation der Verwaltung war eines der Themen bei der Tagung von rund 60 leitenden Funktionären aus den verschiedenen Abteilungen der Enregistrement-Verwaltung. Diskutiert wurde darüber hinaus über die Erfahrungen bei den ersten Testläufen mit neuen Softwareprogrammen zur Erfassung und Kontrolle der Daten.

Direktor Paul Bleser ging vor der Presse auch auf ein Synthesepapier ein, das von der Enregistrement- Verwaltung ausgearbeitet wurde. Dies mit dem Ziel, dem Budget- und dem Finanzminister die Differenzen zwischen TVA-Einnahmen und Budgetentwurf für 2004 und das laufende Jahr 2005 aus Sicht der Verwaltung zu erklären.

Eines der Phänomene, mit denen man – neben den personellen und materiellen Defiziten – demnach konfrontiert ist, sind die relativ hohen Rückzahlungen von TVA an Betriebe, die im innergemeinschaftlichen Geschäft aktiv sind. Allein für 2005 sind 910 Millionen Euro an TVARückzahlungen zu tätigen. Wodurch die Einnahmen natürlich entsprechend niedriger ausfallen.

Ziemlich ungehalten äußerte sich Bleser über die Form, in der das Tageblatt am vergangenen Samstag in seinem Leitartikel Informationen aus diesem Dokument aufgearbeitet hatte. „Nicht jeder, der Steuerrückzahlungen erhält, ist gleich ein Krimineller. Von den 40.000 Dossiers auf Rückzahlung drehen 16.000 sich um Rückzahlungen, davon 700 mit Beträgen über 100.000 Euro.“

Die TVA-Rückerstattungen seien nicht das Problem, das Problem sei, dass deren Anteil inzwischen fast die Hälfte der Einnahmen des Enregistrement (rund zwei Milliarden) ausmachen und dadurch der Schlüssel zur Berechnung der Einnahmenprognose bei der Budgetaufstellung nicht mehr stimme, erklärt Bleser. Diese Einnahmenprognose aber sei nicht Aufgabe des Enregistrement. Man sei zwar gern behilflich, es sei dies aber eine Aufgabe der Finanzinspektion.

Léon Marx

Mit 65 Jahren ist Schluss
Enttäuschter Paul Bleser wirft das Handtuch

Enregistrement-Direktor Paul Bleser hat die „Flemm“, wie er sagt. Zum 1. März 2006 werde er mit 65 Jahren seine Rentenansprüche geltend machen, erklärte er gestern vor der Presse. Bleser, der seit 15 Jahren immer wieder auf Konfrontationskurs mit seinem Chef, Finanz- und Premierminister Jean-Claude Juncker geriet, ließ am Rande der „Journée de la TVA“ seinem Frust freien Lauf.

Nicht alles in seinem Leben sei falsch gelaufen, es sei auch schlimm, wenn man das erst kurz vor dem 65. Geburtstag erkennen würde, erklärt er. Heute aber wisse er, dass er „nicht das große Los gezogen hatte, als er Enregistrement-Direktor wurde.“ Die ewigen Konflikte, unzureichendes Material, fehlende Personaleffektive und auch das Gehalt, all das sei nicht besonders motivierend. „Hätte ich damals meine Karriere als Anwalt fortgesetzt, wäre ich heute wohl Notar und stünde finanziell besser da“, gibt er zu verstehen. Nach seiner Pensionierung wolle er auch wieder als Jurist arbeiten, erklärt er. Theoretisch könnte Bleser eine Mandatsverlängerung bis 68 Jahre bekommen.

lm.

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